Aktuelles
In einem Eineinhalbjährigen Prozess hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte eine neue Struktur gegeben.
Zunächst möchte sich die BAG auch öffentlich noch einmal ausdrücklich bei Sophia Gerschel und Christian Keppler sehr herzlich für die jahrelange Arbeit als Bundesprecherin und Bundessprecher für die BAG der Fanprojekte bedanken. Trotz der immer größer werdenden Aufgabenfülle und den Herausforderungen gelang es ihnen immer alle anstehenden Aufgaben zu meistern und höchst transparent ihre Funktion auszuüben.
Es wurde in der Vergangenheit immer schwieriger und komplexer, die Rolle der Bundessprecherin und des Bundessprechers der Bundesarbeitsgemeinschaft aus dem eigenen Fanprojekt neben der eigenen Fanprojektarbeit zusätzlich auszuüben, wodurch sich niemand 2023 zur Kandidatur für die beiden Positionen stellte.
Als es dann im März 2023 keine Wahl geben konnte, war allen Beteiligten klar, dass es eines Organisationsentwicklungsprozesses bedarf, um die vielfältigen Anforderungen nach Innen und Außen bewerkstelligen zu können. Die gewählten acht Regionalverbundsprecher*innen überbrückten mit großartiger Hilfe von Sophia Gerschel die Vakanz bis Ende Mai 2024.
Kern des Ergebnisses der Neustrukturierung ist eine breitere Aufgabenverteilung und ein vergrößertes Vertreter*innengremium, bestehend aus jeweils drei Regionalverbund-sprecher*innen und sechs Delegierte aus verschiedenen Fachbereichen. In den Verbünden Nord, Ost, Süd und West wurden dementsprechend im Mai 2024 jeweils drei Personen als Regionalverbundsprecher*innen gewählt, wobei eine Kolleg*in nun aus dem Verbund den Arbeitsschwerpunkt auf bundesweite Aufgaben richtet.
Jeder Verbund hat dafür gewählt mit folgendem Ergebnis:
Nordverbund:
Mattis Nüsse (Fanprojekt Wolfsburg) – bundesweite Aufgaben
Svenja Teebken (Fanprojekt Oldenburg)
Julian Nienstedt (Fanprojekt Bremen)
Ostverbund:
Stefan Roggenthin (Fanprojekt Magdeburg) – bundesweite Aufgaben
Ralf Busch (Fanprojekt Berlin)
Christian Kabs (Fanprojekt Dresden)
Westverbund:
Benjamin Belhadj (Fanprojekt Düsseldorf) – bundesweite Aufgaben
Stella Schrey (Fanprojekt Dortmund)
Florian Kovatsch (Fanprojekt Bochum)
Südverbund:
Antje Hagel (Fanprojekt Offenbach) – bundesweite Aufgaben
Simon Albrecht (Fanprojekt Freiburg)
Daniel Metz (Kickers Fanprojekt Stuttgart)
Die weiteren delegierten Personen werden sukzessive benannt und veröffentlicht.
Wir bedanken uns hiermit zudem sehr herzlich bei allen Beteiligten an dem Umstrukturierungsprozess und bei allen Kolleg*innen aus den 70 Fanprojekten in Deutschland für ihr Vertrauen.
Das Fanprojekt Mainz e.V. sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt:
Sozialarbeiter*in oder Sozialpädagog*in (m/w/d) Vollzeit
(39 Std./Woche), zunächst befristet für 2 Jahre.
Das Fanprojekt Mainz e.V. ist ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und arbeitet nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS).
Ziele des Fanprojekts sind die Förderung einer positiven Fankultur, die Stärkung demokratischer Werte, die Vermittlung zwischen der fußballbegeisterten Jugendszene und den Vereinen, Ordnungs- und Kontrollbehörden, Medien sowie der Öffentlichkeit. Dabei nehmen Streetwork, Einzelfallhilfe, soziale Gruppenarbeit, Begleitung bei Auswärtsfahrten sowie die Stärkung und Förderung der Fans bei der Selbstorganisation und der Interessenausgleich mit den Vereinen einen breiten Raum im Fanprojekt ein.
Zu den Aufgabenbereichen gehören:
• Aufsuchende Jugendsozialarbeit (Streetwork) mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Fanumfeld des 1.FSV Mainz 05 e.V.
• Begleitung und Teilnahme an Heim- und Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05
• Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Prävention von rechtem Gedankengut und Rechtsextremismus
Wir erwarten:
• Abgeschlossenes Hochschulstudium oder vergleichbare Qualifikation
• Interesse an Subkulturen, Fangruppierungen und deren Wechselwirkungen zu Schnittstellen der
Fußballkultur
• Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten (überwiegend nachmittags und am Wochenende)
• Fähigkeit zur Konfliktbewältigung
• gute organisatorische, konzeptionelle und kommunikative Fähigkeiten
• soziale Kompetenz
• Teamfähigkeit, Engagement, Belastbarkeit
• Sichere Kenntnisse der gängigen MS Office-Produkte
Für die Arbeit im Team des Fanprojektes wünschen wir eine/n engagierte/n und kommunikative/n Kollegin/en. Sie erhalten eine leistungsgerechte Vergütung in Anlehnung an den TV-L. Die Stelle ist unter Vorbehalt der Projektfinanzierung als befristete Vollzeitstelle ausgeschrieben.
Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen schicken Sie bitte bis zum 01.07.2024 an:
Fanprojekt Mainz e.V.
z. Hd. Herrn Christian Viering
Weisenauer Str.15
55131 Mainz
oder per Mail an: info@fanprojekt-mainz.de
Der 30. April 2024 wird in die Geschichte der bundesweiten Fanprojekt-Landschaft eingehen – wenn auch auf eine Art und Weise, die wir uns alle wohl gern erspart hätten. Denn am 30. April 2024 muss mit dem Fanprojekt Neustrelitz erstmals ein Projekt aus finanziellen Zwängen seine Arbeit einstellen.
Neun Jahre hatten die Kolleginnen und Kollegen am dortigen Standort wichtige Sozialarbeit mit jungen Menschen der dortigen Fanszene geleistet. Eine Arbeit, die an einem kleinen Standort wie eben Neustrelitz einen unschätzbaren Wirkungsgrad hat und fester Bestandteil des dortigen Alltags junger Menschen war.
Umso unverständlicher ist es, dass der dortige Standort nach alleiniger Entscheidung des Trägers seine Arbeit nun beenden muss. Das ist ein Novum und aus Sicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) ein trauriger Einschnitt.
Wie keine andere Sportart begeistert der Fußball junge Menschen, lockt von Neustrelitz bis Oberhausen, von Hamburg bis München Jugendliche in die Stadien, lässt sie teilhaben an sportlichen und gesellschaftlichen Prozessen. Dass nun ausgerechnet in diesem, aus der Gesellschaft kaum wegzudenkenden, Bereich soziale Einrichtungen in finanziell akute Schieflage geraten, ist kaum erklärbar. Mehr denn je ist es an der Zeit, die Mittel für Fanprojekte auskömmlich zu gestalten! Der Fall Neustrelitz darf sich in keinem Fall wiederholen – und natürlich steht die BAG der Fanprojekte solidarisch an der Seite der dortigen Kolleginnen und Kollegen. Ihr habt phantastische Arbeit geleistet, wart und bleibt ein wichtiger Bestandteil unseres Netzwerks!
Sozialpädagogische Fanprojekte fordern Ausweitung der Finanzierungsbereitschaft
So lautete auch passend der Titel zur Tagung “Financial Fairplay – Qualität in der sozialpädagogischen Fanarbeit nachhaltig sichern“. Vor dem Hintergrund gesellschaftlich herausfordernder Zeiten treffen sich die Mitarbeitenden der bundesweiten Fußball-Fanprojekte zur 30. Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) derzeit im Zentrum Altenberg in Oberhausen: „Die Soziale Arbeit mit Fußballfans wird immer wichtiger, der Bedarf steigt rasant. Es braucht daher eine zeitnahe Ausweitung der Finanzierungsbereitschaft für Fanprojekte“, forderten Stella Schrey und Florian Kovatsch, Sprecher*innen des BAG-Westverbunds, anlässlich der Eröffnung der Tagung am Dienstag, 19. März.
Etwa 130 Fanprojekt-Mitarbeitende aus dem gesamten Bundesgebiet sind für insgesamt drei Tage nach Oberhausen gereist und werden sich in verschiedenen Workshops inhaltlich fortbilden. Bei der Auftaktveranstaltung am Dienstag durften außerdem Vertreter*innen des DFB und DFL, die Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS), die Stadt Oberhausen, das CVJM Oberhausen, die LAG der Fanprojekte NRW sowie eine Vertreterin des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen begrüßt werden. Alle angereisten Fanprojekt-Mitarbeiter*innen erhoffen sie sich von der Tagung, die unter dem Motto „Financial Fairplay – Qualität in der sozialpädagogischen Fanarbeit nachhaltig sichern“ stattfindet, eine grundlegende Signalwirkung: „Die Soziale Arbeit im Fußball hat sich professionalisiert und kontinuierlich weiterentwickelt, Fanprojekte genießen ein hohes Ansehen in ihrer Zielgruppe. Gleichzeitig belasten Inflation und steigende Kosten die Standorte zunehmend. Wir brauchen daher nachhaltige Lösungen, um den Fanprojekt-Standorten und ihren Mitarbeitenden Planungssicherheit geben zu können. Wenn einzelne Standorte ihre Arbeit einzig und alleine aufgrund finanzieller Belastungen einschränken oder ganz aufgeben müssten, ist das ein fatales Signal“, betonen Schrey und Kovatsch. Die Tagung in Oberhausen solle daher ein Aufruf sein, die Fanprojektarbeit langfristig zu sichern und für ihre Professionalität angemessen auszustatten. Schließlich sei die Rolle von Fanprojekten als Brückenbauer zwischen jungen Menschen und ihrem sozialen Umfeld, Vereinen, Verbänden sowie Polizei wichtiger denn je. Dass der Nationale Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) eine entsprechende Arbeitsgruppe zur Fanprojektfinanzierung gegründet habe, sei daher ein Schritt in die richtige Richtung: „Wir sind uns sicher, dass sich die aktuellen Mittelgeber – Verbände, Kommunen und Länder – der Bedeutung und Wirksamkeit von Fanprojektarbeit bewusst sind. Jetzt muss die Förderkulisse endlich der Realität angepasst werden“, so Schrey und Kovatsch.
Zuletzt nutzten die Teilnehmenden den Tagungsauftakt für ein Zeichen der Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen des Fanprojekts Karlsruhe. Diese hatten zuletzt Strafbefehle erhalten, weil sie im Rahmen ihrer professionellen Tätigkeit erhaltenes Wissen aus einem zugesagt geschützten Raum nicht an Ermittlungsbehörden weitergeben wollten: „Diese traurige Eskalation demonstriert mehr denn je, dass die Soziale Arbeit endlich ein Zeugnisverweigerungsrecht benötigt. Die gesamte BAG steht daher solidarisch an der Seite der Kolleginnen und Kollegen in Karlsruhe“, unterstrichen Schrey und Kovatsch.
Der Rechtsstreit um die Folgen einer Pyro-Aktion in Karlsruhe für das dortige Fanprojekt ist um ein trauriges Kapitel reicher: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat gegen die Mitarbeitenden einen Strafbefehl über 120 Tagessätzen à 60€ wegen Strafvereitelung veranlasst. „Dieser Strafbefehl macht uns fassungslos. Er ist ein frontaler Angriff auf das Berufsfeld der Sozialen Arbeit“, zeigt sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) in einer ersten Stellungnahme entsprechend schockiert.
Der Karlsruher Rechtsstreit hatte zum Ende des vergangenen Jahres bundesweit Schlagzeilen gemacht: Nachdem die hauptamtlich Mitarbeitenden des sozialpädagogischen Fanprojektes nach einer Pyro-Aktion im Karlsruher Stadion eine professionelle Aufarbeitung mit den Fans initiiert hatten, versuchte die dortige Staatsanwaltschaft, hieraus Informationen für das laufende Verfahren zu gewinnen und lud das Karlsruher Fanprojekt als Zeug*innen vor. Die Mitarbeitenden verweigerten jedoch, mit Verweis auf die zugesagte Vertraulichkeit der Gespräche, die Aussage. Zuletzt stand deshalb sogar eine Beugehaft für die Fanprojekt-Mitarbeitenden im Raum, um die Aussagen zu erzwingen. Diese Beugehaft konnte jedoch in letzter Sekunde abgewendet werden.
„Der Versuch der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die professionelle Arbeit des Fanprojekts Karlsruhe, die sich einem sensiblen Thema vor Ort mit einem sozialpädagogischen und moderierenden Ansatz genähert hat, nun als eine Strafvereitelung darzustellen, ist hochgradig perfide und juristisch nicht begründbar“, so die BAG Fanprojekte weiter. „Die Grundpfeiler der Sozialen Arbeit, nicht nur bei Fußball-Fanprojekten, sind Vertraulichkeit, Parteilichkeit und Freiwilligkeit gegenüber der Zielgruppe – also jenen Menschen, mit denen wir pädagogisch und präventiv gemäß unseres Auftrags arbeiten. Nur wenn dieses Vertrauensverhältnis aufrechterhalten wird, können Fanprojekte nachhaltig Arbeit gegen Gewalt, Rassismus und Diskriminierung leisten. Dies findet seit Jahrzehnten bundesweit Anerkennung.“
Das Agieren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe unterstreiche einmal mehr, wie dringend ein Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) für die Soziale Arbeit gebraucht werde: „Das Berufsbild hat sich weiterentwickelt und die jetzige Ampel-Koalition muss nach dem ‚Fall Karlsruhe‘ der Sozialen Arbeit die gesetzliche Möglichkeit verschaffen, die Aussage in sensiblen Fragen verweigern zu dürfen. Es darf nicht der Willkür einzelner Staatsanwälte überlassen sein, ob sie die Arbeit von Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen als professionellen Ansatz würdigen, oder ob sie hieraus im schlimmsten Fall sogar Straftaten konstruieren“, fordert die BAG Fanprojekte.
Zuletzt dürfe auch das persönliche Schicksal der Kolleginnen und Kollegen aus Karlsruhe nicht vergessen werden: „Hier geht es um Menschen, die seit Monaten auch im Privaten einem enormen Druck der Justiz ausgesetzt und mit einer Vorstrafe bedroht sind – und das nur, weil sie ihren Beruf nach fachlichen Standards ausgeübt haben. Es ist unfassbar, dass Menschen im Jahr 2024 für ihre anerkannte und nachhaltig wirksame Arbeit strafrechtlich belangt werden können.“
Die BAG Fanprojekte steht daher geschlossen hinter den Kolleginnen und Kollegen in Karlsruhe. Ein solcher Fall darf sich nicht wiederholen.
Kontakt: info@bag-fanprojekte.de
Am 16.11.2023 besuchte der Regionalverbund Ost der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte den Bundestag und führte Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten Tino Sorge (CDU) und Boris Mijatović (B90/G). Im Fokus stand das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit und insbesondere der Jugend- und Jugendsozialarbeit mit Fußballfans.
Wir bedanken uns für die sehr guten Gespräche und die Gastfreundschaft und freuen uns auf den kommenden Austausch.
Der Besuch im Bundestag fand im Anschluss an die turnusmäßige Sitzung am Vortag des Verbundes im Fanprojekt Babelsberg statt.
Staatsanwaltschaft Karlsruhe lässt Verfahren nicht ruhen:
Strafvereitelung gegen Fanprojekt-Mitarbeiter*innen steht im Raum –
Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit nötiger denn je!
Es dürfte ein trauriges Novum in der Bundesrepublik Deutschland sein: Im aktuellen Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und dem dortigen Fanprojekt hat die Staatsanwaltschaft zwar nun doch keine Beugehaft gegen die Fanprojektler*innen beantragt, setzt die Kolleg*innen jedoch weiterhin unter Druck. Es wird geprüft, ob ein Verfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung eröffnet wird. Weil sie das besondere Vertrauensverhältnis zu ihrer Zielgruppe, wohl dem zentralen Grundpfeiler der Sozialen Arbeit, nicht auf das Spiel setzen können und wollen, sind hauptamtliche Mitarbeitende aus diesem Bereich weiterhin mit rechtlichen Konsequenzen bedroht. Und das nur, weil sie kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen.
„Es ist absurd, dass die Staatsanwaltschaft hier keine Ruhe geben will“, erklärt Matthias Stein, Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ). „Nicht nur, weil Kolleg*innen persönlich betroffen sind. Sondern auch, weil hier offenkundig ein Exempel statuiert werden soll, dass die grundsätzlichen Errungenschaften der Sozialen Arbeit bundesweit massiv gefährden und zurückwerfen kann.“
Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Mitarbeitende des Fanprojekts als Zeug*innen vorgeladen. Diese standen somit vor einem unsagbaren Dilemma: Einblicke aus der Aufarbeitung, die ihnen unter dem Gesichtspunkt absoluter Vertraulichkeit im Rahmen ihrer Arbeit gewährt wurden, an Ermittlungsbehörden weiterzugeben, was vergleichbare Formate für die Zukunft wohl unmöglich gemacht hätte, oder zu schweigen. Als professionelle Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit entschieden sie sich für Letzteres, um das Vertrauen, das ihnen ihre junge Zielgruppe entgegengebracht hatte, nicht zu gefährden. „Soziale Arbeit benötigt ein besonderes Vertrauensverhältnis, um ihren Auftrag erfüllen zu können“, unterstreicht Georg Grohmann, ebenfalls Sprecher des BfZ.
Ordnungsgelder waren zunächst die Folge, die Beugehaft stand sehr konkret im Raum. Hierauf verzichtete die Staatsanwaltschaft nun, prüft jedoch die Möglichkeit einer Anzeige wegen Strafvereitelung gegen die Mitarbeiter*innen: „Die Politik muss jetzt handeln! Der aktuelle Fall zeigt leider auf eine inzwischen dramatische Art und Weise, wie essenziell ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit ist. Das unterstreichen auch unsere verschiedenen Netzwerkpartner*innen und die Wissenschaft seit langem.“, so Georg Grohmann. „Wir Hauptamtlichen in der Sozialen Arbeit brauchen eine Möglichkeit, uns und die Professionalität unserer Arbeit zu schützen. Selbstverständlich fordern wir die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auch auf, alles dafür zu tun, dass sich die Mitarbeitenden des Fanprojekts endlich wieder auf ihre Arbeit mit ihrer Zielgruppe konzentrieren können. Ein solcher Fall darf sich unter keinen Umständen wiederholen“, macht Matthias Stein abschließend deutlich.
Kontakt zu den Sprechern des BfZ:
Matthias Stein
ms@fanprojekt-jena.de
0173-3970701
Georg Grohmann
grohmann@bag-streetwork.de
0157-71418265
Soziale Arbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm professionalisiert und weiterentwickelt, dies gilt insbesondere auch für die Soziale Arbeit mit Fußballfans. Die Vertrauenesbeziehung zwischen den Klient*innen und den Sozialarbeiter*innen ist der Grundsatz für eine gelingende Arbeit. Dieser Grundsatz muss zwingend durch ein Zeugnisverweigerungsrecht geschützt werden, wie der aktuelle Fall unserer Kolleginnen und Kollegen aus Karlsruhe noch einmal verdeutlich.
Deshalb möchten wir uns uneingeschränkt der Stellungnahme des „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit“ anschließen und fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit!
Im folgenden teilen wir hier die Stellungnahme des „Bündnis für ein Zeugnisverweiherungsrecht in der „Sozialen Arbeit“.
Fast im Knast?! – Stellungnahme zu Vorladungen der Karlsruher
Fanprojekt-Mitarbeitenden
Ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit ist dringend notwendig, wie ein aktueller Fall in
Karlsruhe zeigt. Dort sehen sich die Mitarbeiter*innen des Fanprojektes Karlsruhe momentan einer
beruflich wie privat extrem belastenden Situation ausgesetzt.
Fanprojekte arbeiten im Rahmen des NKSS (Nationales Konzept Sport und Sicherheit) und leisten in
Fanszenen Soziale Arbeit auf Grundlage der §§ 11 & 13 des SGB VIII.
Im Nachgang der Geschehnisse beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli am 17. Spieltag gelang es den
Karlsruher Mitarbeiter*innen, intensive Reflexionsprozesse zu begleiten, Aufarbeitung zu ermöglichen
und Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen, um Versöhnung zu ermöglichen und
Verhaltensänderungen anzustoßen. Dies alles war nur möglich, weil die Mitarbeiter*innen durch gute
Soziale Arbeit über Jahre ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Fanszenen aufgebaut haben.
Dies ist ihr gesellschaftlicher Auftrag – dessen vorbildhafte Erfüllung hier nun zum Grund wird, dass sie
momentan einer zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ausgesetzt
sind. Preisgegeben werden sollen Inhalte aus den Gesprächen im Nachgang des Spieltages, die durch
ein besonderes Vertrauen geprägt und überhaupt nur dadurch möglich waren.
Aus gutem Grund sieht das Gesetz im §203 des StGB für Sozialarbeitende eine Schweigepflicht vor,
deren Verletzung mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden kann. Soziale Arbeit findet in vielen Fällen mit Menschen und Gruppen statt, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden oder deviante
Verhaltensweisen zeigen. Ohne darauf vertrauen zu können, dass das von ihnen Gesagte nicht gegen
sie verwendet wird, können Konfliktlösungen und wirksame Hilfen nicht begleitet werden. Wie sollen
denn ganzheitliche Hilfsangebote aussehen, wenn die Beteiligten nicht offen reden können und
Sozialarbeitende nur die halbe Wahrheit kennen? Wie soll Vertrauen überhaupt entstehen, wenn stets
darauf geachtet werden muss, was man im vertraulichen Gespräch preisgibt?
In Karlsruhe wird gerade versucht, diesen Kernbereich der Sozialen Arbeit zu nutzen, um
strafprozessuale Erkenntnisse zu gewinnen.
Das besondere Vertrauen, welches eine gelingende Soziale Arbeit überhaupt erst ermöglicht, durch
das Brechen der Schweigepflicht zu zerstören, hat weitreichende Auswirkungen über den Einzelfall
hinaus. Die Geschehnisse in Karlsruhe betreffen also nicht nur die Mitarbeiter*innen vor Ort und auch
nicht nur die aufsuchende und mobile Sozialarbeit mit jugendlichen und heranwachsenden
Fußballfans, sondern gefährdet alle Bereiche der Sozialen Arbeit, denen ein besonderes
Vertrauensverhältnis zugrunde liegt.
Das Streben nach strafprozessualem Erkenntnisgewinn aus Inhalten vertraulicher Gespräche im
Rahmen von Sozialer Arbeit macht solche Gespräche unmöglich.
Die Androhung von Ordnungsgeld und Beugehaft macht diese Arbeit für Mitarbeiter*innen
unzumutbar.
Wir fordern die Politik auf, das besondere Vertrauensverhältnis als notwendiges und schützenswertes
Gut der Sozialen Arbeit endlich anzuerkennen. Schaffen Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen,
welche die Fachkräfte der Sozialen Arbeit benötigen, um ihren öffentlichen Auftrag erfüllen zu können.
Beenden Sie die Farce, dass Fachkräfte ihrem Auftrag nicht nachkommen können, ohne ihre Freiheit
zu riskieren.
Die Soziale Arbeit braucht ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Jetzt!
Kontakt zu den Sprechern des BfZ:
Matthias Stein Georg Grohmann
ms@fanprojekt-jena.de grohmann@bag-streetwork.de
0173-3970701 0157-71418265
www.zeugnis-verweigern.de
Als Arbeitskreis Stadionverbote und Repression der BAG-Fanprojekte erreichen uns seit Jahresbeginn 2023 zunehmend Berichte von polizeilichen Übergriffen und Drohungen gegenüber Mitarbeiter*innen der Fanprojekte, die nun mit den Ereignissen rund um das Fanprojekt Karlsruhe um einen neuen bitteren Höhepunkt reicher geworden sind.
Angedrohte Stürmung von Fanprojekt-Räumen, Abhörmaßnahmen, das gezielte Auslesen von Smartphones, auf denen sich auch Nachrichten mit Fanprojekten-Mitarbeiter*innen befinden oder körperliche Angriffe auf Mitarbeitende im Rahmen ihrer Arbeit, Personalienaufnahmen bei dienstlichen Gelegenheiten, aber auch eine zunehmende Anzahl an Vorladungen durch die Polizeien der Länder gehören nicht mehr nur an einzelnen Orten zum Alltag von Fanprojekten.
Wir nehmen diese Maßnahmen mehr und mehr als polizeiliche Eingriffe in die Arbeit der sozialpädagogischen Fanprojekte wahr.
Da im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB Vlll) eine vertrauliche und anonyme Kontaktaufnahme zu sozialpädagogisch arbeitenden Institutionen garantiert ist und diese zudem auf freiwilliger Basis basiert, müssen wir feststellen, dass das aktuelle Verhalten der Polizeien der Länder und des Bundes unseren Auftrag maßgeblich torpediert und womöglich nachhaltig schadet:
Wieso sollten sich betroffene Fans mit uns in Verbindung setzen, wenn Vertraulichkeit als Basis für das in uns gesetzte weitergehende Vertrauen nicht gewährleistet werden kann? Wie sollten Fanprojekte Angebote aus dem Kontext des Täter-Opfer-Ausgleichs unterbreiten, die dann wiederum aus Smartphones ausgelesen werden? Wieso sollten Fanprojekte die Anreise zu Auswärtsspielen begleiten, wenn bei Regelverletzungen der Fans (und diese streiten wir keines Wegs ab) der Einfachheit halber zunächst mal die Mitarbeitenden vorgeladen werden?
Wir sind keine Gehilf*innen der Polizeien, sondern Sozialarbeiter*innen im Auftrag der Kommunen, der Länder und des Fußballs.
Wir bieten jugendlichen und jungen Erwachsenen Fans Unterstützung und Begleitung an. Wir haben eigene Räume und leisten aufsuchende soziale Arbeit im Kontext Fußball. Wir sind qualifizierte und professionelle Fachkräfte der sozialen Arbeit. Wir sind nah an der Lebenswelt Fußball und bewegen uns in einem komplexen Netzwerk vieler verschiedener Institutionen.
Wir fordern deshalb das Zeugnisverweigerungsrecht auch für die Soziale Arbeit.
Der Arbeitskreis Stadionverbote & Repressionen ist ein Zusammenschluss aus Kolleg*innen der sozialpädagogischen Fanprojekte mit besonderer Expertise in den besagten Themen. Neben der Schulung für Fanprojekt-Mitarbeiter*innen, kollegialer Beratung von Fanprojekten und gelegentlich auch bei Vereinen entsteht ein guter Überblick über aktuelle Entwicklungen. Der Arbeitskreis entsendet für die BAG Fanprojekte eine Vertretung in den Expertenrat Stadionverbote des DFB.
Immer wiedwerden Sozialarbeiter*innen durch Polizeidienststellener oder Staatsanwaltschaften vorgeladen, um über die eigene Klientel auszusagen. Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende der Sozialen Arbeit schränkt ihre Wirksamkeit ein und behindert vertrauensvolle, aber essenzielle Beziehungen zu verschiedenen Zielgruppen. Elvira Berndt (Geschäftsführerin Gangway e.V.- Streetwork Berlin) konstatiert dies eindrucksvoll in ihrem Eröffnungsvortrag: „Sozialarbeiter*innen müssen verschwiegen sein. Sie arbeiten mit offenen Armen und ohne äußeren Schutz. Ihr einziges Kapital dabei ist: Vertrauen. Und der einzig wirkliche Schutz, den die Gesellschaft unseren Kolleginnen und Kollegen geben kann, ist der Schutz dieses oft hart und über Jahre erarbeiteten Vertrauens. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft dies auch tut. Ganz im Sinne des Mottos der heutigen Fachveranstaltung: 50 Jahre sind genug!“
Gemeinsam mit Elvira Berndt, diskutierten Vertreter*innen der Regierungsfraktionen MdB Philipp Hartewig (FDP) und MdB Denise Loop (B90/G) mit dem Leiter des Fanprojekts Dresden Ronald Beć und Rechtsanwalt René Lau in einem von Christoph Ruf (Journalist) moderierten Podiumsgespräch über das fünfzig Jahre alte Urteil des BVerfG sowie aktuelle Perspektiven auf die Frage des dringend notwendigen Zeugnisverweigerungsrechts für die Soziale Arbeit. Über die gesellschaftspolitische Notwendigkeit des besonderen Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Sozialarbeiter*innen und ihren Adressat*innen und der damit einhergehenden politischen Verantwortung waren sich die Podiumsteilnehmer*innen einig. „Das Vertrauensverhältnis ist Grundlage jeglicher fachlichen Arbeit“, so Denise Loop. Philipp Hartewig sieht im Rahmen der Professionalisierung der Sozialen Arbeit eine wachsende Bedeutung des Vertrauensschutzes. Der Status quo des § 53 StPO gefährde jedoch den Erfolg sozialarbeiterischen Handelns. Vor dem Hintergrund des angestrebten Reformprozesses handele es sich nach René Lau auch um einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, in dem das Spannungsverhältnis zwischen repressiven und solchen staatlichen Interventionen, die offen-unterstützende und resozialisierende Wirkung entfalten können, verhandelt wird. Fachpolitische Debatten müssen intensiviert werden und „Sozialarbeiter*innen müssen sich mit ihrer besonderen Verantwortung auseinandersetzen“, so Ronald Beć.
Soziarbeitende, die für das Ausüben ihrer Profession in Beugehaft gehen würden, sollten aber das letzte Mittel sein, so Matthias Stein (Sprecher des BfZ). In einer Bündnissitzung am folgenden Tag berieten die Mitgliedsorganisationen und Unterstützer*innen wie das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht Teil des politischen Parlamentsdiskurses wird.
Weitere Informationen und Unterlagen finden Sie auf unserer Homepage www.zeugnis-verweigern.de.
Matthias Stein Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ) ms@fanprojekt-jena.de 0173-3970701
Anbei die Pressemitteilung des BfZ zum Download:
Presseinformation_BfZ_13_10_2022