Die BAG erläutert ausführlich das langjährig bewährte Prozedere der Vergabe von Stadion-verboten und die damit verbundene Arbeit der Fanprojekte. Die derzeit bestehenden Regelungen ermöglichen sowohl den Vereinen wie auch den Fanprojekten einen Zugang zu Personen, denen vorgeworfen wird, die Sicherheit im Stadion oder auf Reisewegen gefährdet zu haben.
Um diese Beziehungsarbeit nicht aufs Spiel zu setzen, fordert sie den Verbleib der Vergabe von Stadionverboten in der Hand der Vereine. Zudem fordert sie die Weiterentwicklung von Alternativen zu Stadionverboten sowie die regelmäßige Schulung von Stadionverbotsbeauftragten. Die BAG spricht sich zudem für eine Ombudsstelle beim DFB aus, auf die alle Seiten zurückgreifen können: Seien es die Fans, die Clubs oder auch die Polizeien.

Im Zuge des Sicherheitsgesprächs der Innenministerien, der DFL und des DFB im Oktober 2024 wurde die Forderung der Politik nach Einrichtung einer Zentralen Stadionverbotskommission, die das bisherige System ersetzen soll, deutlich hörbar. Seitdem wird die Forderung danach aufrechterhalten und zuletzt moniert, dass diese noch nicht umgesetzt wurde. (Siehe hierzu: Protokolle Innenministerkonferenz vom 13.06.2025, S. 25 und Sportministerkonferenz vom 08.11.2024, S.171)
Die BAG hat eine eigene Perspektive auf Stadionverbote und lehnt eine Zentrale Stadionverbotskommission beim DFB ab.
Stattdessen fordern wir:
– eine Ombudsstelle beim DFB, an die sich alle am Prozess beteiligen Personen und Institutionen wenden können,
– die Stadionverbotsvergabe muss bei den Vereinen vor Ort (Hausrechtsinhaber) bleiben,
– eine ernsthafte Weiterentwicklung der Alternativen zu Stadionverboten an den einzelnen Standorten und
– die regelmäßige Schulung von Stadionverbotsbeauftragten.
Wir haben eigene Vorstellungen, wie eine beim DFB eingerichtete Stelle sinnvoll und förderlich sein kann und wollen dies gerne erläutern.
Als 1993 Stadionverbote bundesweit im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) geregelt wurden, gab es viele offene Fragen und juristische Infragestellungen. Sukzessive wurden Anhörungen, Möglichkeiten der Aussetzung, der Aufhebung und Reduzierung eingeführt. Manchmal mussten dafür Gerichte bemüht werden, mittlerweile ist das Verfahren gerichtsfest. Und manches ergab sich in mühseligen Gesprächsrunden beim DFB (dieser ist laut dem Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL für die Sicherheit und damit auch für die Stadionverbote zuständig).
Heute werden Stadionverbote auch unter Berücksichtigung des Alters und der Persönlichkeit des Betroffenen, der Schwere des Tatvorwurfs und des Risikos der Wiederholung der Beeinträchtigung der Sicherheit im Stadion ausgesprochen. Die Richtlinien geben den Vereinen die Möglichkeit, Alternativen zu Stadionverboten anzubieten und vor allem die Gelegenheit, sich im Rahmen der Anhörung ein persönliches Bild von der Person zu machen. Die Vereine ernennen Stadionverbotsbeauftragte, welche in den jeweiligen Verfahren entscheiden. Es hat sich an vielen Standorten bewährt, dass eine Stadionverbotskommission unterstützend und beratend tätig ist. In dieser sind häufig die Fanbeauftragten, die Sicherheitsbeauftragten, die Stadionverbotsbeauftragten selbst und eben das Fanprojekt vertreten. Die Stadionverbotskommission lädt Betroffene ein, vor dieser Kommission Stellung zu nehmen.
Natürlich ist es die Aufgabe von Fanprojekten, im Vorwege Gespräche zu führen und auf die Anhörung vorzubereiten. Dabei geht es oft darum, das Verfahren zu erläutern oder generell zu erklären, was ein Stadionverbot ist und bedeuten würde. Und natürlich wird auch über das Verhalten im Stadion bzw. rund um Fußballspiele des eigenen Vereins gesprochen.
Vor der Kommission haben die Fans dann die Gelegenheit, sich zu präsentieren und zur Sache Stellung zu nehmen, wenn sie es denn wollen. Sollte ein Ermittlungsverfahren anhängig sein, ist es nicht immer ratsam, mit Dritten über den betreffenden Sachverhalt zu sprechen. Worüber die Fans aber sprechen können ist, wie sie sich an Spieltagen verhalten und wie sie sich in Zukunft an Spieltagen verhalten wollen. Die Kommission kann wiederum den Fans vor Augen führen, was bestimmte Verhaltensweisen für Konsequenzen haben. Da geht es längst nicht nur um Strafgelder, die der Verein bezahlen muss, sondern natürlich auch um die Auswirkungen auf andere Zuschauer*innen. Die Kommissionsmitglieder wiederum haben die Möglichkeit, die angehörten Fans kennenzulernen, ihnen in die Augen zu schauen und ein Gefühl dafür zu bekommen, wie diese „ticken“. Durch diese Anhörungen entsteht nicht selten der erste Kontakt zwischen vermeintlichen „Problemfans“ und Vertreter*innen des Vereins. So werden Kommunikationskanäle vor Ort angelegt, die sich verstetigen und dann in beide Richtungen genutzt werden können. Dadurch ergeben sich auch für die Fanprojekte oftmals Möglichkeiten, langfristig mit den Betroffenen zu arbeiten. Ein Stadionverbot ist ein vom DFB entwickeltes Konzept der Prävention. Wer das Instrument ernst nimmt, muss sich mit den Betroffenen beschäftigen, muss ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben und dann die Prognose stellen, ob die Sicherheit im Stadion gewährleistet ist, wenn die betroffenen Fans zukünftig weiterhin Fußballspiele der ersten vier Ligen in Deutschland besuchen oder nicht.
Wir sehen es als nahezu unmöglich an, dass eine Zentrale Stadionverbotskommission alle Betroffenen zu einem persönlichen Gespräch einladen kann. Wir befürchten daher bei einer Zentralen Stadionverbotskommission ein mechanisches Abhaken bezogen auf vermeintliche Tatvorwürfe. Dadurch werden Stadionverbote noch viel mehr zu dem, wie Fans sie immer schon empfunden haben: Als zweite Strafe, für die es noch nicht einmal eines geregelten rechtsstaatlichen Verfahrens bedarf. Ein solches setzt die Unschuldsvermutung voraus. Und ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren reicht nicht für die Verhängung einer Strafe.
Im Nationalen Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) werden die Fanprojekte explizit als der Netzwerkpartner genannt, der das Fehlverhalten von Fans aufarbeiten und Handlungsalternativen aufzeigen soll (NKSS 2012, 2.6. „Fehlverhalten und Konsequenz“). Diesem mittlerweile erprobten System würde durch eine Zentrale Stadionverbotskommission Steine in den Weg gelegt. Das System der Stadionverbote scheitert aber auch dort, wo Stadionverbotsbeauftragte nicht oder unzulänglich geschult sind, wo Betroffene das Gefühl haben, nicht gehört zu werden und wo die Polizei das Gefühl hat, dass Anregungen für Stadionverbote gar nicht in den geregelten Prozess geleitet werden. Sollten sich die beteiligten Akteure auf die eine oder andere Weise unangemessen wahrgenommen fühlen, sollen sie die Möglichkeit erhalten, sich an eine Ombudsstelle beim DFB zu wenden. Dort könnten die Fälle behandelt werden, die strittig sind. Dies wäre deutlich zielführender, als eine von der Innen- und Sportministerkonferenz geforderte Zentrale Vergabestelle von Stadionverboten, die bezüglich einer Präventionsarbeit eher kontraproduktiv wäre und den von Stadionverboten betroffenen Individuen gar nicht gerecht werden könnte.




