Fachliche Standards

 

Fachliche Standards der Sozialen Arbeit von Fanprojekten im Kontext Fußball

Stand: Januar 2020

Inhalt

  1. Selbstverständnis
  2. Definition der Fanprojektarbeit
  3. Zielgruppe der Fanprojektarbeit
  4. Ziele der Fanprojektarbeit
  5. Handlungsleitende Arbeitsprinzipien
    1. Lebensweltorientierung
    2. Beziehungsarbeit
    3. Akzeptanz
    4. Diversität
    5. Freiwilligkeit
    6. Niedrigschwelligkeit
    7. Ressourcenorientierung
    8. Partizipation
    9. Transparenz
    10. Vertrauensschutz, Verschwiegenheit und Anonymität
    11. Kritische Parteilichkeit
    12. Diskursorientierung
  6. Methoden
    1. Offene Jugendarbeit
    2. Aufsuchende Arbeit
    3. Einzelfallhilfe
    4. Gruppenarbeit
    5. Gemeinwesen- und Gremienarbeit
  7. Öffentlichkeitsarbeit
  8. Netzwerkarbeit
  9. Qualitätssicherung

 

  1. Selbstverständnis

Fanprojekte leisten Soziale Arbeit im Kontext Fußball. Wir sind sozialpädagogische Einrichtungen der Jugendhilfe, die auf Grundlage des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) sowie des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit (NKSS)[1] arbeiten. Indem Fanprojekte Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit nach den Paragrafen 11 und 13 des SGB VIII leisten – Aufgaben die gesetzlich definiert und vom Staat zu erbringen sind – erfüllen wir einen öffentlichen Auftrag.

Die Arbeit der Fanprojekte verfolgt einen menschenrechtsorientierten Ansatz. Werte wie Respekt, Gleich­berechtigung, Toleranz sowie demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien sind die Basis unserer sozialpädagogischen Arbeit.

Für Fanprojektmitarbeiter*innen stehen dabei die individuellen Biographien und Potenziale junger Fußball­fans im Vordergrund. Für eine langfristige vertrauensvolle Beziehungsarbeit, die im Mittelpunkt der Arbeit steht, sind Akzeptanz, eine Kommunikation auf Augenhöhe sowie gegenseitige Wert­schätz­ung die Grundlage.

Nachhaltige sozialpädagogische Arbeit kann nur dann funktionieren, wenn sie in einem geschützten Rah­men stattfindet. So entsteht aus Vertraulichkeit Vertrauen. Die Stärkung von Potenzialen und Res­sourcen, aber auch die kritische Auseinandersetzung mit Fehlverhalten erfordern daher ein hohes Maß an Sensibilität und Nähe zu unserer Zielgruppe, allen jungen Fußballfans.

 

  1. Definition der Fanprojektarbeit

Die Arbeit der Fanprojekte orientiert sich an den fachlichen Standards der Sozialen Arbeit, speziell an denen der BAG Streetwork und Mobile Jugendarbeit[2]. Der bestehende Fokus auf Fußballfans macht die an der Peer Group[3] orientierte Soziale Arbeit deutlich. Die Lebenswelt- und Sozialraumorientierung der Mitarbeiter*innen basiert auf einem niederschwelligen, freiwilligen, akzeptierenden und begleitenden Ansatz der professionellen Sozialen Arbeit. Die Adressat*innen werden in ihren sowohl individuellen als auch gemeinsamen Fähigkeiten und Stärken unterstützt und gefördert. Durch Angebote, die auf Partizipation ausgerichtet sind, werden junge Fans zur Beteiligung und Mitwirkung an diesen motiviert. Die Vertretung der Fansicht bzw. -interessen im Netzwerk Fußball beruht immer auf einer kritischen Parteilichkeit. Das bedeutet, dass Fanprojektmitarbeiter*innen Verständnis und Anerkennung der Ein­stel­lungen, Handlungen und Problemlagen zeigen, ohne dabei jedoch einen konstruktiv-kritischen Blick darauf zu verlieren.

 

  1. Zielgruppe der Fanprojektarbeit

Die Zielgruppe der Fanprojektarbeit definiert sich grundlegend über die im SGB VIII §7 Abs. 1-4 be­schrie­benen Altersgruppen von 12-27 Jahren: Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen.

Fußballfans in diesen Altersgruppen sind die Adressat*innen der Fanprojektarbeit. Fanprojekte ar­bei­ten mit den verschiedensten Fangruppen wie Ultras, Fanclubs, Fandachverbänden, etc. Allen ge­mein­sam ist, dass der Fußball das eigene Fan-sein und die Freizeitgestaltung dominiert und damit auch ein deut­licher Identifikationsfaktor ist sowie ein zentrales Partizipationsmerkmal für die Menschen dar­stellt. Die Heterogenität und individuelle Zusammensetzung der Fußballfanszenen an den jeweiligen Standorten umfasst deutlich mehr Adressat*innen, auch über die genannten Altersgruppen hinaus.

 

  1. Ziele der Fanprojektarbeit

Mit unserer Arbeit unterstützen wir Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Per­sön­lich­keits­ent­wicklung (Empowerment). Ziel der Arbeit von Fanprojekten ist es, eine kreative, an demokratischen Werten orientierte und selbstbestimmte Fankultur zu stärken sowie lebensweltbezogene Freizeit- und Bildungsangebote für junge Fans anzubieten. Orientiert an ihrer Lebenswelt, ihrer individuellen Le­bens­lage und Bedürfnissen stärken wir gemeinsam mit ihnen ihre sozialen und demokratischen Kom­pe­tenzen und fördern ihre soziale Teilhabe sowie ihr gesellschaftliches Engagement. Hierbei ist uns wich­tig, an den vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen, die die jungen Menschen bereits mit­bring­en, anzuknüpfen. Dadurch erweitern unsere Adressat*innen ihre persönlichen Hand­lungs­spiel­räu­me und stärken ihr Selbstwertgefühl. Diese Eigenverantwortlichkeit führt dazu, dass die jungen Fans bestimmt, reflektiert und selbstbewusst ihre Interessen in konstruktiven Aushandlungen mit den be­tref­fenden Personen und Institutionen ansprechen und umsetzen können.

Fußballfans werden oftmals durch öffentliche Darstellungen als „Störer“ oder „Problemklientel“ stig­ma­tisiert. Fanprojekte sind im Netzwerk Fußball die einzige unabhängige Institution, die Lobby-Arbeit für Fans in diesem Rahmen leisten. Fanprojektmitarbeiter*innen geben mit ihrer professionellen so­zial­pädagogischen Arbeit den Fußballfans die Möglichkeit, ihre Interessen zu verdeutlichen, sich zu engagieren und zu reflektieren. Mit der Begleitung und intensiven Beziehungsarbeit wird ein grund­le­gen­des Vertrauen zwischen den Fanprojektmitarbeiter*innen und Fans aufgebaut, welches dazu füh­ren soll, dass die Adressat*innen sich im Umgang und dem Kontakt mit den Mitarbeiter*innen wert­ge­schätzt und sicher fühlen können.

In den offenen und freiwilligen Angeboten der Fanprojekte erlernen junge Fans ein tolerantes und re­spekt­volles Miteinander. Die Stärken des oder der Einzelnen und der Gruppe werden gefördert und Ver­haltenskompetenzen entwickelt, die innerhalb der Gruppe und im alltäglichen Leben angewendet wer­den können. Demokratische Werte und menschenrechtliche Prinzipien werden verinnerlicht, Vor­ur­teile abgebaut und sich mit Diskriminierung auseinandergesetzt. Gleichzeitig entwickeln die Adres­sat*innen ein Rechtsempfinden und richten ihr Handeln danach aus.

Die Arbeit der Fanprojekte zielt damit auf die Verringerung delinquenten, diskriminierenden, gewalt­för­migen und gesundheitsgefährdenden Verhaltens ab. Gesellschaftlichen Herausforderungen wie Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit[4] (Strukturen der Ungleichwertigkeit) und Gewalt wird so begegnet.

 

  1. Handlungsleitende Arbeitsprinzipien

5.1          Lebensweltorientierung

Die Soziale Arbeit mit Fußballfans versteht das Denken und Handeln junger Fußballfans vor dem Hin­ter­grund, dass Fußball und die damit verbundene Fankultur prägnante und prägende Teile ihrer Le­bens­welt und somit auch ihrer Persönlichkeit sind. Die Adressat*innen werden mit all ihren Be­dürf­nis­sen, Interessen und Haltungen als Expert*innen für sich selbst und ihrer Lebenswelt angesehen. Wir neh­men an der Lebenswelt junger Fußballfans teil. Dies geschieht vor allem durch die Begleitung von Fan­gruppierungen an Heim- und Auswärtsspielen des jeweiligen Bezugsvereins sowie durch auf­such­en­de Arbeit an Szenetreffpunkten, offene Angebote oder zielgerichtete Unterstützung. Hand­lungs­lei­tend ist ein Dialog auf Augenhöhe mit den Adressat*innen und die gemeinsame Reflexion von Hand­lungs­möglichkeiten hinsichtlich ihrer Lebenslagen. Die Teilnahme an der Lebenswelt junger Fans er­mög­licht uns, Normen und Werte sowie gruppendynamische Prozesse innerhalb der Fanszene kennen­zu­lernen, nachzuvollziehen und kritisch zu reflektieren. Einem partizipativen Verständnis folgend wer­den gemeinsam mit jungen Fußballfans Angebote und Projekte entwickelt, um auf deren Bedürfnisse einzugehen.

5.2          Beziehungsarbeit

Die Grundlage unserer Arbeit besteht darin, zu den jungen Fußballfans tragfähige und belastbare Be­ziehungen aufzubauen. Über aufsuchende Arbeit und jugendspezifische Angebote, die sich durch Kon­ti­nuität, Verlässlichkeit und Attraktivität auszeichnen, bauen wir Vertrauen auf. Authentizität, Empathie und Transparenz der Fanprojektmitarbeiter*innen sind wichtige Voraussetzungen für dieses Vertrauen und die darauf aufbauenden Beziehungen.

5.3          Akzeptanz

Wir arbeiten nach dem Ansatz Akzeptierender Jugendarbeit. Mitarbeiter*innen der Fanprojekte be­geg­nen den jungen Fußballfans, unabhängig ihrer Lebenssituation, ihrer Einstellungen und ihres Le­bens­stils mit Wertschätzung. Ein akzeptierender Ansatz in der Sozialen Arbeit mit Fußballfans bedeutet die Strukturen innerhalb der Fanszene sowie von Fangruppierungen anzuerkennen. Da­rü­ber hinaus sehen Fanprojektmitarbeiter*innen hinsichtlich des Denkens und Handelns ihrer Adressat*innen nicht nur die Relevanz des Systems Fußball, sondern auch die Bedeutung anderer relevanter Systeme wie bspw. Familie, Schule oder andere Peer-Konstellationen außerhalb der Lebenswelt Fußball- und Fan­kultur.

5.4          Diversität

Diversität meint die Unterscheidung und zugleich die Anerkennung von individuellen oder gruppen­be­zo­genen Merkmalen. Wir beurteilen Personen nicht hinsichtlich einzelner Merkmale wie bspw. Ge­schlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, soziale oder kulturelle Herkunft. Eine Querschnittsaufgabe Sozialer Arbeit mit Fußballfans ist die Herstellung von Chancengleichheit. Fanprojektmitarbeiter*innen nehmen Vielfalt als Bereicherung wahr und tragen zur Anerkennung von Unterschieden und zum Schutz vor Diskriminierung bei. Fanprojekte sensibilisieren und klären mit verschiedenen Angeboten und Projekten zu Diskriminierungsformen jeglicher Art auf. Fanprojekte arbeiten geschlechtersensibel, transkulturell und inklusiv. Wir sprechen uns klar gegen Gewalt, Homophobie, Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen aus.

5.5          Freiwilligkeit

Unsere Angebote basieren auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Über Dauer und Intensität von Kontakten be­stimmen die jungen Fußballfans selbst, sowie über ihre Teilnahme an Projekten und Angeboten. Die Adressat*innen entscheiden selbst, inwieweit sie unsere Teilnahme an ihrer Lebenswelt, bei­spiels­wie­se bei der Begleitung an Spieltagen, zulassen.

5.6          Niedrigschwelligkeit

Die Angebote von Fanprojekten sind offen gestaltet, sodass es allen interessierten jungen Fußballfans mög­lich ist, diese auch in einem geschützten Rahmen wahrzunehmen. Die Zeiten und Orte der An­ge­bo­te sind flexibel und orientieren sich an den Bedarfen und Bedürfnissen junger Fußballfans. Im Rah­men der aufsuchenden Jugendarbeit, d.h. bei der Begleitung an Spieltagen sowie an Szenetreffpunkten unter der Woche, sind wir präsent und jeder Zeit ansprechbar.

5.7          Ressourcenorientierung

Soziale Arbeit mit jungen Fußballfans fokussiert ihre Stärken und orientiert sich nicht an ihren Defiziten. Pädagogische Angebote, Begleitung und Beratung zielen darauf ab, sie in ihrem Selbstwertgefühl und Ver­antwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei werden Kompetenzen wie Eigenverantwortlichkeit, To­leranz, Rechtsempfinden und Kommunikation hin zu gewaltfreien Konfliktlösungen vermittelt.

Wir ermutigen junge Fußballfans, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen.

5.8          Partizipation

Partizipation ist ein durchgängiges Arbeitsprinzip von Fanprojektarbeit. Junge Fußballfans werden er­mu­tigt, ihre Themen und Bedarfslagen eigenständig zu bearbeiten, die jeweiligen Handlungsschritte zu er­kennen und diese selbständig zu vollziehen. Wir haben dabei stets eine begleitende Funktion, die Be­fähigung und Motivation der jungen Menschen zur Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Aus­handlungsprozessen ist dabei handlungsleitend.

5.9          Transparenz

Wir verhalten uns unseren Adressat*innen gegenüber offen, ehrlich und authentisch und machen ihn­en deutlich, welche Auswirkungen, Möglichkeiten und Grenzen ihr Handeln haben kann. Transparentes Handeln ist eine Schlüsselkompetenz.

5.10       Vertrauensschutz, Verschwiegenheit und Anonymität

Vertrauensschutz, Verschwiegenheit und Anonymität sind unabdingbar für eine belastbare Beziehung zwischen Fanprojektmitarbeiter*innen und ihren Adressat*innen. Wir sind laut §65 SGB VIII (Beson­de­rer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe) zum Vertrauensschutz verpflichtet und unterliegen dem §203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Sozialpädagogische Arbeit mit jungen Menschen kann nur gelingen, wenn eine langfristige belastbare persönliche Beziehung zu ihnen auf­gebaut ist und ein enges Vertrauensverhältnis besteht. Das ist die Basis dafür, dass sich Ad­res­sat*innen mit ihren Problemen an uns wenden, um gemeinsam ihr Verhalten zu reflektieren und po­si­ti­ve Verhaltensänderungen anzustoßen.

Den Fanprojektmitarbeiter*innen muss es möglich sein, sich auch in kritischen Situationen nah an ihren Adressat*innen zu bewegen. Die Soziale Arbeit mit jungen Fußballfans kann nur erfolgreich sein, wenn ein besonderer Vertrauensschutz gewährleistet ist.[5]

5.11       Kritische Parteilichkeit

Fanprojekte kommunizieren und vertreten die Interessen von Fußballfans gegenüber Netz­werk­part­nern und gegenüber der Öffentlichkeit, mit einem stets kritisch reflektierten Blick auf entsprechende The­menstellungen, Stand- und Konfliktpunkte.

5.12       Diskursorientierung

Fanprojektmitarbeiter*innen agieren als Übersetzungs- und Vermittlungsinstanz zwischen unter­schied­lichen Interessensträger*innen und schaffen damit Kommunikationsstrukturen in alle Rich­tung­en. In verschiedenen Gremien und Arbeitskreisen sowohl auf lokaler wie auch auf überregionaler Ebe­ne sind wir Interessensvertreter*innen unserer Adressat*innen und unserer sozialpädagogischen Ar­beit.

 

  1. Methoden

Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit haben einen pädagogischen, sozialpolitischen und sozio­kul­tu­rel­len Auftrag. In den Arbeitsfeldern Mobile und Offene Jugendarbeit sowie Streetwork vereinen die Hand­lungskonzepte der Fanprojekte verschiedene Methoden der Sozialen Arbeit. Die nachfolgend be­schrie­benen Methoden werden standortspezifisch angewendet.

6.1          Offene Jugendarbeit

Offene Jugendarbeit hat einen sozialräumlichen Bezug und begleitet Kinder, Jugendliche, junge Voll­jäh­ri­ge und junge Menschen auf dem Weg zur Selbstständigkeit. Unser Ziel ist es, die Adressat*innen der Fan­projektarbeit im Gemeinwesen partnerschaftlich zu integrieren und an den Prozessen unserer Ge­sell­schaft, vor allem bei fanpolitischen Themen, mitwirken zu lassen. Das Angebot eines offenen, par­ti­zipativ gestaltbaren und geschützten Raumes ermöglicht den jungen Fußballfans, ihre Ideen um­zu­setzen, Fähigkeiten zu erkennen, zu erproben und sich selbst als wirksam erfahren zu können.

6.2          Aufsuchende Arbeit

Die aufsuchende Arbeit ist wesentlicher Bestandteil der Fanprojektarbeit. Wir nehmen kontinuierlich an der Lebenswelt der Fans teil und lernen sie so in unserer Gastrolle kennen. Dazu gehören die Be­glei­tung der Heim- und Auswärtsspiele des Bezugsvereins und das Aufsuchen der Fans an ihren Treff­punk­ten an Spieltagen und unter der Woche. Ziel ist es, ein verlässliches, vertrauensvolles Verhältnis zu den Fans aufzubauen und dieses zu intensivieren.

6.3          Einzelfallhilfe

Die Einzelfallhilfe im Rahmen von Fanprojektarbeit ist ein individuelles Angebot, bei dem die Adres­sat*innen mit ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen im Vordergrund stehen sowie Autonomie und Selbst­be­stimmung gestärkt werden. Die vorhandenen Ressourcen der jungen Menschen sind Grundlage un­ser­er Arbeit. Über das handlungsleitende Arbeitsprinzip der Freiwilligkeit respektieren wir stets die Selbst­bestimmung der Fans.

Wir bieten unsere Unterstützung und Begleitung bei ihrer Alltagsbewältigung und daraus eventuell ent­stehenden Frage- sowie Problemstellungen an. Sozialpädagogische Beratungssettings und andere Hilfs­angebote der Mitarbeiter*innen sowie bei Bedarf zielgerichtete Vermittlung in andere Fachdienste dienen dem Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe.

6.4          Gruppenarbeit

Die Peer Group ist für Jugendliche in ihrer Identitätsbildung wichtig, um dem Bedürfnis nach Orien­tie­rung, sozialer Anerkennung, Selbstbestätigung, Verhaltenssicherheit und Solidarität nachzukommen. Hier lernen sie, sich in einer Gemeinschaft zurechtzufinden, Gruppenregeln auszuhandeln und zu akzep­tie­ren und erlangen dabei soziale Kompetenzen. Wir ermöglichen in Zusammenarbeit mit den Gruppen deren Ideen, Vorschläge und Wünsche in verschiedensten Projekten umzusetzen.

6.5          Gemeinwesen- und Gremienarbeit

Gemeinwesen- und Gremienarbeit nehmen in der Fanprojektarbeit einen hohen Stellenwert ein. Ziel ist die partizipierende, aktivierende und vernetzende Gestaltung des Sozialraums gemeinsam mit den Adres­sat*innen. Dies erreichen wir durch Lobbyarbeit für die jungen Fans und deren Unterstützung bei der Artikulation und Durchsetzung ihrer Bedürfnisse und Interessen. Unsere Arbeit unterstützt die Ent­wick­lung des sozialen und kulturellen Lebens mit dem Ziel eines solidarischen Miteinanders.

Darüber hinaus stärkt die Vernetzung in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte und die Teil­nah­me an Gremien die Fanprojektarbeit auf:

  1. Lokaler Ebene
    • Jugendhilfeausschuss
    • Fanbeirat
    • Örtlicher Ausschuss Sport und Sicherheit
  2. Regionaler Ebene
    • Regionalverbundtreffen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte
    • Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork
    • Bundeslandspezifische Arbeitstreffen
  3. Bundesweiter Ebene
    • Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte Fanprojektbeirat
    • AG Fankulturen der Fußballverbände DFB/DFL
    • Nationaler Ausschuss Sport und Sicherheit

 

  1. Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit zielt darauf ab, ein Bewusstsein für Handlungsfelder und Wirksamkeit von Fan­pro­jekten zu schaffen. Zudem wird dadurch unsere Beziehungsarbeit mit ausgewählten Zielgruppen un­terstützt.

Ein positives Image wird erzeugt und die Existenz der Arbeit gefestigt. Mit Hilfe von Social Media, Mes­sengern, Print- und Onlinemedien, Sachberichten etc. werden Förderer und Unterstützer gewonnen und die Öffentlichkeit über die Bedeutung der Fanprojektarbeit informiert.

Damit die Adressat*innen unserer Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden, müssen die Kommunikations­wege stets überprüft und angepasst werden.

 

  1. Netzwerkarbeit

Die Arbeit der Fanprojekte erfordert die Zusammenarbeit im Netzwerk mit unterschiedlichsten Ak­teur*innen und Institutionen im Feld des Fußballs (u.a. Vereine, Verbände, zuständige Ministerien und Polizeien) und der kommunalen Jugendhilfe. Interessenaustausch und Kooperation stehen im Vorder­grund der dialogischen Kommunikationsprozesse. Wir agieren hier als unabhängige Institution, die die un­ter­schiedlichen Aufträge, Zielbestimmungen und Selbstverständnisse der Netzwerkpartner re­spek­tiert und ihre eigene Position selbstbestimmt vertritt.

 

  1. Qualitätssicherung

Grundlage der Fanprojektarbeit bildet eine Konzeption, die anhand der Erstellung und Auswertung der Sach- und Jahresberichte regelmäßig und fortlaufend evaluiert und angepasst wird. Zur Umsetzung der fachlichen Standards verpflichten sich die Träger der Fanprojekte strukturelle und inhaltliche Rah­men­be­dingungen für unsere Arbeit zu schaffen. Eine interne Qualitätssicherung erfolgt auf Basis von Re­flexion, Supervision und fachlicher Beratung.

Mit der Einführung eines Qualitätssiegels nach dem Nationalen Konzept Sport und Sicherheit wurde 2010 ein Zertifizierungsprozess eingeleitet, der die Handlungssicherheit der Fanprojekte und die Arbeit vor Ort stärken soll.

Die BAG der Fanprojekte hat als Mitglied der AG Qualitätssicherung[6] gemeinsame Standards für das Qualitätssiegel mitentwickelt, die turnusmäßig in einem Zertifizierungsprozess vor Ort von einem ex­ternen Institut evaluiert werden. Nach Auswertung und Prüfung der Ergebnisse gibt die AG Quali­täts­sicherung dem Beirat der KOS eine Empfehlung über die Vergabe des Qualitätssiegels, auf deren Grund­lage dieser entscheidet.


Fußnoten

 

[1]    Gemeinsames Konzept der „Ständige Konferenz der Innenminister und –Senatoren der Länder(IMK): Na­tio­na­les Konzept Sport und Sicherheit“, Stand 28.10.2011. Fortschreibung 2012. Kapitel 2.1, Seite 7.

[2]    Siehe auch http://www.bag-streetwork.de.

[3]    Vgl. Günther, H./Fritsch, S./Trömer, W. (2016): Peergroup. In: Günther, H./Fritsch, S./Trömer, W.: Kita von A bis Z. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. S. 157. Als Peergroup (auch Peer-group; peer group, kurz peers, peer, dt: Gleichrangige) wird eine Gruppe von etwa gleichaltrigen Kindern oder Jugendlichen (mit gemeinsamen In­teressen / Herkunft / sozialem Status) bezeichnet, die als primäre soziale Bezugsgruppe neben das Eltern­haus tritt.

[4]    Unter dem von Wilhelm Heitmeyer geprägten Begriff Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wird die Sys­te­ma­tisierung feindseliger Einstellungen gegenüber Menschen unterschiedlicher sozialer, religiöser und eth­ni­scher Herkunft verstanden. Die diesem Begriff zugeordneten Phänomene, wie z.B. Homophobie oder Frem­den­feindlichkeit, sind durch eine Ideologie der Ungleichwertigkeit spezifischer Gruppen charakterisiert (vgl. Universität Bielefeld (o.J.): „Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland. Eine 10-Jährige Langzeituntersuchung mit einer jährlichen Bevölkerungsumfrage zur Abwertung und Ausgrenzung von schwachen Gruppen.“ Abrufbar unter https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppen­bezo­ge­ne_Men­schen­feindlich­keit_Zusammenfassung.pdf (abgerufen am 27.11.2019).

[5]    Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für das Berufsfeld der Sozialen Arbeit mit jungen Fußballfans ge­fähr­det dieses Vertrauensverhältnis. Die Mitarbeiter*innen von Fanprojekten benötigen den Schutz des Zeug­nis­ver­weigerungsrechts als unabdingbare Voraussetzung ihrer Arbeit. („Für ein strafprozessuales Zeugnis­ver­wie­gerungsrecht – ein Rechtsgutachten zur aufsuchenden sozialen Arbeit“ Peter Schruth/ Titus Simon, 2018).

[6]    Deutsche Sportjugend (dsj), Deutscher Fußball-Bund (DFB), Deutsche Fußballiga (DFL), Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesjugend- und Familienbehörden (AGJF), Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj (KOS), Bun­des­arbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG), Leitung Prof. Dr. Gunter A. Pilz.


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